Fotografie im Lockdown

Fotografie im Lockdown

Ein Bildband von Klaus Wohlmann

Vorwort von Pascal Dupraz / Nachwort von Frank Wassermann
Hardcover 68 Seiten,Bilderdruckpapier Matt 200 Gramm im Format 21,5 x 21,5 cm

19,90 €

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Eine Saison im Lockdown

 

Störungsbedingte Stillstandszeit. Die Grauen des Winters. Etwas ist in der Welt zerbrochen und zwar so plötzlich, dass der Mensch an einer verlorenen Harmonie erstickt.

Streetfotografie ist schon immer eine Art Distanzierung gewesen. Eine Art Einsamkeit in der Masse. Die Kamera als Maske. Sich selbst in Gefahr bringen, sich tief in einer fremden Umgebung eintauchen lassen, die Angst vor dem Mitmenschen unterdrücken und erst dann, kommt die Zeit auf den wesentlichen Punkten zu fokussieren. Eine kompromisslose Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit.

Warten... Beobachten... Die Amosphäre auf sich wirken lassen... Die Zeit scheint stillzustehen. Das ist die Kunst des Streetfotografen. In jeder Situation, in jedem Ort, enthüllt er unbemerkte Motive, ungeahnte Perspektiven. Auf der Suche nach den besten Blickwinkel, dem perfekten Lichteinfall, verwandelt er die Verschwommenheit des Alltags in einer zwingenden bedeutsamen Sicht von klarer Evidenz. Der Weg ist nicht einfach; der Aufwand lohnt sich aber.

Den Künstler Klaus Wohlmann hat die Krisenstimmung persönnlich auch tief betroffen. Eisige, düstere, schmerzhafte Landschaften. Bilder der Leere. Die Masse ist verschwunden : alles ist zwecklos, sinnlos geworden. Klaus zeigt uns ein beachtenswertes Panorama von verlassenen Lebensorten. Wie ein Teppich von welkem Laub, letzte Spuren vom blühenden Sommer. Eine ansteckende Melancholie.

Und trozdem weiss er, dass das Leben erneut sprühen wird, sobald ein warmes Licht strahlen wird.

Pascal Dupraz




 

“Starving in the Belly of a Whale”

 

Dieser epische Song von Tom Waits war meine erste Assoziation als ich die Lockdown Fotografien von Klaus gesehen habe. Aber warum? Dem musste ich auf den Grund gehen. Da passte die Anfrage von Klaus, ihm ein Vorwort zu verfassen, gut ins Bild.

Klaus und ich sind beide leidenschaftliche Reisende. Je weiter, je fremder, desto besser. So kenne ich viele Bilder von Klaus, die von Begegnungen mit Menschen aus entfernten Ländern zeugen, von exotischen Landschaften, von skurrilen Details, gefunden in den Städten dieser Welt.

Nun, die Lockdown-Fotos sind anders. Gar nicht so sehr was die fotographische Handschrift angeht. Auch hier erkenne ich sein Auge für Details, seine Vorliebe für harte Licht-Schattenkontraste, für tiefe Kamerastandpunkte, Reflexionen und die überraschende Einbindung von urbaner Graphik oder Streetart. So weit, so vertraut.

In den Lockdown-Fotos allerdings dominiert der Raum. Die Perspektive ist aufgezogen, die Räume oft tief, weit, hoch und – unternutzt. Die Menschen Statisten, da, um den Räumen zu dienen, nicht umgekehrt.

Hungrig im Bauch eines großen Wales. Anders als in Klaus´ Reisefotos steht der Mensch nicht mit seiner Individualität im Mittelpunkt der Aussage, sondern wirkt austauschbar, auf existentialistische Weise in die Welt geworfen – oder er fehlt gleich ganz. Obgleich die Räume, die Stühle, die Treppen, Plätze, U-Bahnen doch offensichtlich geschaffen wurden für Menschen, für viele Menschen. Viele Menschen, eine Versammlung gar, ohne sich an Abstandsregeln und Maskengebot zu halten, sieht man nur auf einem der Fotos. Dieses Motiv jedoch ist lediglich „Kunst am Bau“, Dekoration für einen Treppenabgang, nun eine schmerzliche Reminiszenz an die verlorene Unschuld physischer Nähe.

In ihrer austauschbaren Anonymität erscheinen die abgebildeten Menschen als Projektionsflächen. Das sind wir selbst, die da über leere Bahngleise laufen, allein oder vielleicht zu zweit durch die unternutzen Räume eilen, Masken tragen und Abstand halten. Ein ungeliebtes, dennoch vertrautes Gefühl, mittlerweile.

Was nun machen die Lockdown-Bilder mit mir. Wecken sie Depressionen? Angst, dass alles nie wieder so sein wird, wie es mal war? Wut? Apathie? Nein, vielleicht nur etwas Melancholie. Aber auch Entdeckungsfreude. Lust daran, Vertrautes neu zu sehen. Die Erinnerung daran, wie befriedigend gradlinige Schritte ohne Dichtestress sein können. Dann wieder die Sehnsucht, mal wieder im Restaurant sitzen zu können, Hunger nach Gemeinschaft, nach Normalität. Es ist nicht einfach.

Bräuchte es hier nicht eine klare Aussage? Eine künstlerische Intention, die Stellung bezieht und sich mit dem persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Fallout dieser Pandemie kritisch beschäftigt? Oder anders gefragt, ästhetisieren die Bilder von Klaus eine globale Krise?

Wahrscheinlich. Darf er das? Unbedingt!

Das Buch ist Zeuge seiner eigenen künstlerischen Resilienz. Wenn Reisen in die Welt unmöglich sind, gilt es, sich neue Räume und Perspektiven zu erobern. Das ist zugleich Auftrag und Überlebensstrategie eines Künstlers.

Wie geht es nun weiter bei Tom Waits? Was bedeutet es, hungrig im Bauch des Wales zu sitzen? „A man must test his mettle - In a crooked ol' world”. Wir alle also werden in der Krise getestet, ob wir das Herz haben, weiter zu machen in dieser verrückten Welt. Und wenn wir noch so hungrig sind.

Klaus´ Buch wird die Welt nicht retten. Aber es ist ein Weg, sein Weg, dem Lockdown Neugier und Leidenschaft entgegenzusetzen und uns damit zu inspirieren.

Frank Wassermann


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